Künstliche Intelligenz steckt noch in den Kinderschuhen. Und doch helfen schlaue Computer bereits bei einer Vielzahl von Problemen. Wir analysieren, wo die KI heute schon im Marketing hilft und welches Potenzial die Technik hat.
Was würde Franz Schubert wohl sagen wenn er wüsste, dass seine 8. Symphonie von einer Maschine vollendet worden ist, deren geistige Väter gleichzeitig einen der größten Datenskandale der jüngeren Geschichte zu verantworten haben?

Künstliche Intelligenz im Marketing bedeutet vor allem: Daten sammeln und auswerten.
Was bei dem österreichischen Komponisten vermutlich nur ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst hätte, ist erst vor kurzem Realität geworden. Durch eine Analyse der Klangfarbe, Tonhöhe und Takte der ersten zwei Sätze der “Unvollendeten” sowie weiterer Werke Schuberts konnte die künstliche Intelligenz des Huawei Mate 20 Pro die Melodie des klassischen Werkes berechnen und mit einer Partitur des Filmkomponisten Lucas Cantor vollenden.
Das Ergebnis wurde im Februar bei einem Konzert in London der Öffentlichkeit präsentiert und wusste das Publikum und die Kritiker zu begeistern: moderner erscheint die Komposition der KI, ohne jedoch den Stil Schuberts zu verändern. Und auch wenn es auf den ersten Blick noch etwas befremdlich wirkt wenn Science Fiction und klassische Musik aufeinandertreffen, zeigt dieses Beispiel doch sehr deutlich, wozu künstliche Intelligenz bereits jetzt fähig ist und wie viel Potenzial sie für die Zukunft bereithält.
Auch für das Marketing ist künstliche Intelligenz ein seit Jahren anhaltender Trend der mit jeder technischen Neuerung oder Verbesserung an Bedeutung gewinnt. Grund zur Sorge, dass KI in Zukunft die Marketingbranche völlig umkrempeln oder menschliche Intelligenz ganz und gar ersetzen wird, besteht allerdings nicht. Auch technisch optimierte Marketing-Analysen und Prozesse, die den Kunden zu einem hörigen Shopping-Zombie machen sind mehr als unwahrscheinlich.
Denn bisher kann KI kein Wissen selbst generieren, nur vorhandenes analysieren, komprimieren und neu arrangieren. Doch auch daraus lassen sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für künstliche Intelligenz im Marketing ableiten, die bestehende Verfahren beschleunigen und optimieren und dem Marketer mehr Zeit für seine eigentliche Aufgabe lassen – kreativ zu sein!
Datensammler Künstliche Intelligenz
Erfolgreiches personalisiertes Marketing erfordert vor allem eines: Daten… Unmengen von Daten! Und als wäre das Sammeln dieser nicht schon aufwendig genug müssen sie auch noch analysiert werden um sie für das Marketing nutzbar machen zu können. Ein Prozess der schon so manche Marketingabteilung an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.
Und tatsächlich gerät der menschliche Verstand bei der Arbeit mit den Big Data Analytics schnell an seine Grenzen. Künstliche Intelligenz hingegen kann große Mengen an Nutzerdaten nicht nur in deutlich kürzerer Zeit auswerten, sondern daraus auch Verhaltensmuster der Kunden ableiten und konkrete Produktvorschläge erstellen.
Gängige Beispiele sind hier digitale Shopping-Assistenten oder Empfehlungs-KI, die dem Kunden anhand seines Such- und Kaufverhaltens, persönlicher Daten und vergangener Aktivitäten ein Produkt vorschlagen können, das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in sein Suchmuster passt und weiteres Kaufinteresse weckt. Online-Shopping-Dienste wie Amazon erzielen mit vergleichbaren Verfahren bereits über 30 % ihres Umsatzes und für Video-Streaming-Plattformen wie Netflix und Co. stellen sie einen unverzichtbaren Teil ihres Services dar.
Wenn KI ein Gesicht bekommt
In den meisten Fällen arbeitet künstliche Intelligenz im Hintergrund, analysiert, optimiert und vervollständigt Prozesse. Manchmal jedoch bekommt die KI ein regelrecht menschliches Gesicht und tritt direkt mit dem Kunden in Kontakt.
Chatbots, digitale Shopping-Assistenten oder intelligente Sprachsteuerung sind immer dann erfolgreich, wenn sie neben einem funktionierenden Algorithmus und einem umfassenden Datenpool auch eine menschliche Komponente aufweisen können. So ist es wenig überraschend, dass die Stimmen von Amazons Alexa oder Apples Siri nicht zufällig entstanden sind, sondern nach marketing- und sprachpsychologischen Kriterien optimiert wurden.
Der künstlichen Intelligenz einen menschlichen Charakter zu verleihen ist jedoch eine echte Marketing-Mammutaufgabe. Erinnerst du dich an die Folge der beliebten Sitcom “The Big Bang Theory” in der sich der sympathische Nerd Rajesh in die Sprachsteuerung seines Handys verliebt und alles daran setzt die Person hinter der melodischen Stimme kennenzulernen? Das Apples Siri in der Serie als attraktive rothaarige Frau dargestellt wird und dem Protagonisten den Kopf verdreht war kein Zufall, sondern ein genialer Marketing-Schachzug des Giganten aus Kalifornien.
Trotzdem haben sich Branchengrößen wie Apple und Amazon dauerhaft dagegen entschieden ihrer KI ein menschliches Gesicht zu verleihen. Zu groß ist die Gefahr, dass die ausgewählte Person unsympathisch oder nicht ausreichend authentisch wirkt. Gleichzeitig ist die menschliche Fantasie sehr gut in der Lage sich ein eigenes, stimmiges Bild zu der Stimme der KI zu konstruieren.

Sollte Künstliche Intelligenz ein Gesicht bekommen?
Die neuesten Errungenschaften der Robotik, wie die Analyse und Programmierung menschlicher Emotionen, zeigen jedoch, genau wie die bereits etablierten Sprachassistenten, dass wir zukünftig immer häufiger mit künstlicher Intelligenz interagieren werden. Ein Trend vor dem du dich auch im Marketing nicht verschließen solltest!
Wo KI im Marketing hilft: Personalisierter Content und Hypertargeting
Keine andere Marketingmaßnahme hat sich in den letzten Jahren so erfolgreich gezeigt wie die Personalisierung von Werbung. Nach Jahrzehnten nerviger Banner und Popups, lästigem Clickbait und Spammails empfinden Kunden Werbung durch personalisierten Content und individuelle Angebote erstmals wieder als gewinnbringend.
Ein Erfolg der ohne künstliche Intelligenz nicht umsetzbar gewesen wäre. Denn KI leistet mittlerweile viel mehr als nur Kundendaten zu analysieren oder den Erfolg und die Reichweite einzelner Maßnahmen zu berechnen. Durch Algorithmus-basierte Content-Creation-Prozesse ist künstliche Intelligenz mittlerweile in der Lage selbstständig personalisierte Inhalte zu erschaffen und den geeigneten Kanal zur Verbreitung zu wählen.
Erfolgreiche Beispiele sind hier Sportergebnisse oder einfache Nachrichten, die künstliche Intelligenz über einen entsprechenden Datenpool eigenständig “recherchieren” und an die Sprache des Kunden angepasst in eine Meldung umsetzen kann.
Durch das Hyper-Targeting lassen sich personalisierte Inhalte zudem individuell verbreiten. Künstliche Intelligenz berechnet dabei in welchem Stadium des Kaufprozesses der Kunde sich gerade befindet und zu welchem Zeitpunkt und über welchen Kanal er Produkthinweise, Kaufempfehlungen oder Angebote erhalten sollte. Daraus ergibt sich für den Kunden ein echter Mehrwert, die einzelnen Maßnahmen sind effektiver und Unternehmen können daraus zusätzlich ableiten welche Werbeflächen für sie am lukrativsten sind.
Was bringt die KI-Zukunft fürs Marketing?
Kritiker werfen künstlicher Intelligenz immer wieder vor, die bisher einzigartige Kreativität des menschlichen Geistes durch standardisierte und vermeintlich optimierte Prozesse ersetzen zu wollen. Doch ist das alles nur dunkle Science-Fiction?
Tatsächlich wird innovative Technologie zukünftig das Verhalten der Kunden voraussehen, Vorlieben erkennen und daraus abgeleitet personalisierte Informationen zur Verfügung stellen können. Dabei wird sie nicht nur Analysetätigkeiten und Standardprozesse übernehmen, sondern auch kreative Aufgaben selbstständig bearbeiten, Antworten verfassen und Angebote erstellen.
Dass KI den Menschen und seine individuelle Kreativität jedoch vollständig ersetzen kann, ist unwahrscheinlich. Ohne dass der Mensch sie mit Inhalten füttert und ihren Einsatz strategisch plant ist künstliche Intelligenz aktuell viel mehr der Motor moderner (Marketing) Prozesse und weniger der Fahrer am Steuer, der Richtung und Geschwindigkeit vorgibt.
Sie bietet die Chance das digitale Marketing zu beschleunigen, Maßnahmen zu vereinfachen und in Echtzeit zu verbessern. Das ersetzt den Menschen nicht, kann ihn jedoch entlasten und schafft Freiräume für neue Kreativität und Ideen.